Thornton Wilder: Die Brücke von San Luis Rey (1927)

Wilder Die BrückeEs sind fünf Menschen, die zusammen mit einer alten Inka-Brücke in die Tiefe stürzen: Eine schrullige Alte zusammen mit ihrer jungen Gesellschafterin, ein Lebenskünstler mit einem kleinen Jungen und ein von Trauer über den Tod seines Zwillingsbruders gebeugter Mann. Wer sie waren und warum sie so plötzlich sterben mussten, versucht ein Mönch im Peru des Jahres 1714 heraus zu finden.

Der Mönch, der die Brücke vor seinen Augen abstürzen sieht, ist anfangs voller Hoffnung, in den Lebensgeschichten der Verunglückten ein verbindendes Element zu entdecken. Er sucht dabei nach einem (göttlichen) Sinn, der das Leben und Sterben der Menschen bestimmt und landet dafür, als er ihn nicht finden kann, auf dem Scheiterhaufen.
Ein anderer Aspekt steht dabei ebenso deutlich im Vordergrund: Die Figuren, die auf der Brücke abstürzen, haben erst kurz zuvor beschlossen, ihr Leben zu ändern. Sie alle waren von den Umständen gebeutelt, sahen sich in Trauer, Sehnsucht oder Einsamkeit gefangen. Als sie dann beschließen, etwas daran zu ändern, stürzen sie ab. Über allem liegt ein unabwendbares Schicksal, grausam in seiner Zufälligkeit.

Besonders bemerkenswert ist die ausgefeilte Sprache Wilders, die es auch schafft, Armut und Krankheit in würdevolle Worte zu kleiden. Die Sprache trägt auch dazu bei, dass man als Leser völlig in jede der Geschichten eintauchen kann und zeitweise vergisst, dass die jeweilige Hauptfigur am Ende ihren Tod finden wird. Dieser kommt dann auch jedesmal überraschend. Wie für die Figur selbst.
Als Vorlage für diese Geschichte diente Wilder einaktiges Theaterstück. Vielleicht spielt deshalb das Theater in seiner Erzählung eine so große Rolle. Er lobt die Größen des spanischen Theaters des 18. Jahrhunderts und versucht zu rekonstruieren, wie man in Lima die Autoren aus Madrid aufnahm. Überhaupt bekommt man die nicht allzu häufige Gelegenheit, Spanien aus Perspektive einer seiner Kolonien zu betrachten.

Fazit: „Die Brücke von San Luis Rey“ ist ein geschickt gestricktes Werk mit wunderschöner Sprache und tiefgründigen Gedanken.

Über den Autor: Der amerikanische Autor Thornton Wilder erhielt für „Die Brücke von San Luis Rey“ 1928 den Pulitzer-Preis. Er selbst ist nie in Peru gewesen. [1]

Thornton Wilder „Die Brücke von San Luis Rey“ (OT: The Bridge of San Luis Rey), Aus dem Amerikanischen von Brigitte Jakobeit, Fischer Taschenbuch 2015 (1927), 176 S.


Eine andere Stimme zum Buch bei Ein Jahrhundert lesen

[1] http://www.twildersociety.org/works/the-bridge-of-san-luis-rey/

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Verwandte Beiträge

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.

Zurück nach oben