Precht legt mit seinem Buch ,,Wer bin ich und wenn ja wie viele?“ (der ungewöhnliche Titel entstammt dem Ausspruch eines betrunkenen Freundes) eine philosophische Einführung in die großen Fragen des Lebens vor. Dabei unterteilt er in Anlehnung an Immanuel Kant in die Bereiche ,,Was kann ich wissen?“, ,,Was soll ich tun?“ und ,,Was darf ich hoffen?“. Der erste Teil ,,Was kann ich wissen?“ gibt eine Einführung in den Aufbau des menschlichen Gehirns und betrachtet aus psychologischer Sicht die reine Möglichkeit, Wissen gezielt abzurufen und Erfahrungen zu speichern. Weiter geht Precht hierbei auf Bewusstsein und Unterbewusstsein ein; gleich dazu gibt es einen kurzen Überblick über Sigmund Freuds Erkenntnisse und Ansichten. Ebenso werden Nietzsche, Mach und Descartes abgehandelt; ihre jeweiligen Haupterkenntnisse werden dabei unkompliziert unter der Leitfrage zusammengefasst.
Der zweite Teil der philosophischen Reise liest sich unter der Frage ,,Was soll ich tun?“. Hier geht es besonders um kontrovers diskutierte Themen wie Umweltschutz, Abtreibung, das Klonen von Menschen und die Frage, was Forschung darf. Als Einstieg behandelt der Autor zunächst die Frage nach dem freien Willen, u.a. anhand des Libet-Experiments, sowie Kants Vorstellungen von Moral und ihrer Verankerung im Menschen. Weitere bekannte Philosophen, die in diesem Teil Erwähnung finden sind Peter Singer mit seinen Theorien zu Vegetarismus und dem Umgang mit Menschenaffen, sowie Bentham und der von ihm begründete Utilitarismus. Bei der Behandlung dieser aktuellen Themen greift Precht weniger auf die klassischen Theorien zurück; vielmehr stellt er Argumente der Befürworter und Gegner, z.B. der Reproduktionsmedizin, einander gegenüber.
Der letzte Teil ,,Was darf ich hoffen?“ beschäftigt sich gleich mit einer ganzen Reihe von Themen, die den Einzelnen persönlich vielmehr angehen, als alles zuvor Behandelte. So stellt der Autor die Fragen nach Liebe, Gerechtigkeit und Gott, um dann mit dem Rezept für ein glückliches Leben zu schließen.
Fazit: Wer unterhaltsame Lektüre sucht, dem wird dieser populärwissenschaftliche Einstieg wohl gut gefallen. Der Leser aber, der sich einen Überblick über die Entwicklung der verschiedenen philosophischen Theorien, gar seit dem Altertum, erhofft, wird enttäuscht sein. Precht äußert sich fast hastig zu allen bedeutenden Fragen der Zeit, ohne jemals Stellung zu beziehen. Dabei greift er hier und da einen bekannten Philosophen auf, den er humoristisch charakterisiert und dem Leser so näherbringt. Natürlich würde es den Umfang des Werkes sprengen, trotzdem enttäuscht es, stets nur einen flüchtigen Blick auf die stark vereinfachten Theorien werfen zu können. Dabei handelt der Autor die verschiedenen Themen sehr schnell ab, gerade so, als solle dem Leser nicht auffallen, dass er im Grunde genommen immer noch viel zu wenig Wissen hat, um die angeführten Gedanken in ihrer ganzen Bedeutung zu erfassen.
Die eingestreuten persönlichen Erfahrungen und kurzen Geschichten aus dem Leben des Autors dagegen sind unterhaltsam und illustrieren verschiedene Probleme anschaulich. Aber eben das macht ,,Wer bin ich?“ eher zu einer Bettlektüre, die den vermeintlich erleuchteten Leser mit der Erkenntnis zurücklässt: Ist das alles einfach!
Dass Precht nicht den Anspruch erhebt, alle Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu kennen, ist zwar mehr als vernünftig, kontroverse Positionen sucht man allerdings auch vergeblich.
Lust auf die Beschäftigung mit aktuell diskutierten Fragen macht Precht allemal, vielmehr als auf die philosophischen Hintergründe, die zwar durch die skurrile Vita des ein oder anderen Denkers aufgelockert werden, neben Hirnforschung und Medizin nicht unnötig, doch leider ziemlich alt aussehen. Einen Lichtblick für alle enttäuschten Philosophiefreunde bietet da der Anhang, der die herangezogenen Werke auflistet, sowohl philosophische als auch naturwissenschaftliche, und damit die weitere Beschäftigung mit den aufgeworfenen Fragen ermöglicht. ,,Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ erhebt ja auch den Anspruch, eine moderne Einführung zu sein- nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Richard David Precht: ,,Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ – Eine philosophische Reise. Goldmann Verlag, München 2007. 397 S., br., 14,95 €
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