In ihrem neuen Werk „Wie die Franzosen die Liebe erfanden“ nimmt uns die Historikerin Marilyn Yalom mit auf einen Streifzug durch die französische Literaturgeschichte. Angefangen beim Minnesang erzählt sie von Abaelard und Heloise, dem französischen Pendant zu Romeo und Julia, ritterlichen Liebesschwüren, über die komische Liebe wie sie sich bei Molière findet. Von hemmungslosen Verführern über romantische Schriftstellerinnen, Liebe am Königshof und zu Zeiten der Französischen Revolution bis zur existenzialistischen Liebe Sartres und de Beauvoirs, werden hetero- und homosexuelle Gefühlswelten beleuchtet. Versehen mit Zitaten aus bekannten und weniger bekannten Werken gelangt sie so bis ins 21. Jahrhundert und zeichnet den Weg und Wandel der Liebe über die letzten neunhundert Jahre hinweg nach.
Marilyn Yalom liefert mit „Wie die Franzosen die Liebe erfanden“ einen unterhaltsamen, kurzweiligen, aber auch lehrreichen Gang durch die großen Werke der französischen Literatur und kommt an kaum einem der berühmten Schriftsteller (und Schriftstellerinnen) vorbei, denn über das universelle Thema Liebe, das zu allen Zeiten in all seinen Spielarten immer wieder die wichtigste Rolle in der Literatur einnimmt, hat sich fast jeder von ihnen geäußert. Yalom schreibt über die persönlichen Hintergründe historischer Figuren, das abenteuerliche Leben vieler Könige und ihrer Mätressen, aber ebenso über Frauen, die sich ihren Liebschaften mit so großer Leidenschaft widmeten, dass sie gerade dafür, für ihre anrührenden Briefe und Tagebücher, in Erinnerung geblieben sind. Das alles gespickt mit Zitaten aus den jeweiligen Werken, mit einleitenden Bildern zu jedem der sechszehn Kapitel und eigenen, teilweise Jahrzehnte zurückliegenden Erfahrungen, macht Yaloms Werk unterhaltsam, nie langatmig und zu einem Ausflug in die Welt der französischen Literatur. Die detailierten Anmerkungen im Anhang machen Lust darauf, sich mit der französischen Literatur zu beschäftigen. Lediglich im letzten Kapitel entsteht der Eindruck, als erschiene es ihr nicht mehr lohnenswert, sich mit der französischen Literatur der Jetztzeit zu beschäftigen, denn hier beginnt ein wahrer Galopp durch den französischen Film der letzten Jahrzehnte; Namen wie Godard und Truffaut werden hingeworfen, als gelte es, nach so viel Buch auch noch schnell noch etwas Film mitzunehmen.
Yalom ist Feministin, das kommt an einigen Stellen – nicht zuletzt, weil sie es selbst betont – durch und sorgt, entgegen meiner anfänglichen Erwartung, dafür, dass neben den vielen bekannten männlichen Schriftstellern auch viele schreibende Damen ihren Platz in der Geschichte erhalten. Yalom geht dabei immer wieder auf die Rolle der Frau im Spiegel der jeweiligen gesellschaftlichen Strömungen ein und erläutert ihre Liebschaften so anschaulich, dass der Leser denkt, er sei dabei gewesen und sich an manch einer Stelle wundert, wer da mit wem zusammen war – handelt es sich doch fast durchweg um bekannte Namen. Geradezu aktuell wird Yaloms Werk zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem die Presse Interesse am Liebesleben des französischen Präsidenten Hollande findet, denn die Autorin geht in ihrem Werk darauf ein, wie (außereheliche) Liebschaften in Frankreich Teil der Kultur und auch bei großen Staatsmännern nie eine Seltenheit gewesen seien.
Yalom macht keinen Hehl aus ihren literarischen Lieblingen, betreibt dabei aber zu keinem Zeitpunkt Namedropping, sondern weiß zu jedem Literaten, zu jedem Werk eine Anekdote zu erzählen. Dieser Plauderton ist es, der „Wie die Franzosen die Liebe erfanden“ zu einem gelungenen Spaziergang durch die französische Literatur macht.
Marilyn Yalom, Wie die Franzosen die Liebe erfanden. Neunhundert Jahre Leidenschaft (OT: How the French Invented Love), Ullstein 2013, 443 S., 22,99€
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