1899 erschienen, gilt Imperium in Imperio als Meilenstein schwarzer US- Literatur. Als Griggs sein Buch Anfang des letzten Jahrhunderts von Tür zu Tür ziehend verkaufte, avancierte es durch Mundpropaganda schnell zum Bestseller. Das ist auch durchaus zu verstehen, die Geschichte zweier talentierter junger Männer, von denen jeder, wäre er weiß gewesen, es wohl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten hätte bringen können, muss einen unglaublichen Reiz auf Teile der gebeutelten schwarzen Bevölkerung der damaligen Zeit ausgeübt haben. Auch, dass die Geschichte die Bürgerrechtsbewegung der USA beeinflusst hat, ist gut nachzuvollziehen, ohne hierüber allerdings Näheres zu wissen. Die Idee von einem geheimen Zusammenschluss aller aufgrund ihrer Hautfarbe Diskriminierten, der so groß und auch so schlagkräftig wäre, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern, ist durch und durch politisch und verlockend.
Bernard und Belton werden am gleichen Tag eingeschult. Während Beltons Mutter sich den Schulbesuch ihres Sohnes vom Mund abspart, fehlt es Bernard an nichts. Der Lehrer, von Bernards Mutter hingerissen, behandelt die beiden begabten Kinder fortan so ungleich wie irgend möglich. Während Belton Schläge einstecken muss, erhält Bernard Förderunterricht. Doch beide entwickeln sich zu brillanten Köpfen. Wenn sie reden, hält das Publikum den Atem an.
Bernard stehen mit seiner Begabung und dem Geld seiner Familie alle Türen offen, so scheint es; Belton wird indes während seines College-Aufenthaltes schmerzlich bewusst, wie ungleich die Chancen zwischen Schwarz und Weiß im Süden der USA verteilt sind. Schließlich treffen sich die beiden, desillusioniert von den gesellschaftlichen Zwängen, von Lynchmorden und offenem Rassismus wieder: in Imperium, einem geheimen Staat innerhalb der USA, der sich ganz dem Wohl seiner ausschließlich schwarzen Bevölkerung verschrieben hat.
Von ihrer historischen Bedeutung abgesehen, kommt die Geschichte selbst unspektakulär daher. Der Aufbau ist einfach: Ein armer und ein reicher Junge, beide begabt, wollen es zu etwas bringen, werden jedoch von den widrigen gesellschaftlichen Umständen daran gehindert. Sie durchlaufen verschiedene Stationen, scheitern wiederholt und kehren enttäuscht ihrem bisherigen Leben den Rücken. Sie politisieren und radikalisieren sich, was – so viel sei gesagt – nicht gut endet.
Der Autor kann seinen Hintergrund als Prediger nicht verbergen. Die Sprache ist stellenweise sehr salbungsvoll, alle Frauenfiguren kommen Heiligen gleich, denen doch, auch nach Jahren der Verachtung, Gerechtigkeit ob ihrer Tugend widerfährt. Die Schilderung mancher Begebenheiten wirkt etwas ungelenk und unfreiwillig komisch. So wird voller Dramatik ein Unfall beschrieben, um dann zu enden:
“Bernard had not been killed in his fall because of a parachute which had been so arranged, unknown to him, to save him in the descent.”
Viele der eigentlich spannenden Fragen werden gar nicht beantwortet: Wie kommt es, dass Bernard und Belton so eng miteinander befreundet sind, wo doch der eine ständig übervorteilt wurde und der Autor sie während ihrer gesamten Kindheit kaum ein Wort miteinander wechseln lässt? Wer hat Imperium begründet, wie schaffen die „Bürger“ es, ein Doppelleben in zwei Staaten zugleich zu führen?
Gut gelungen, und das macht den Charme des Buches aus, sind die Reden der Protagonisten am Ende der Geschichte. Mit Zwischenüberschriften versehen, kommen sie einem politischen Manifest gleich. Hier wird dann zum ersten Mal die enorme Sprengkraft deutlich, die die Geschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts barg.
Imperium in Imperio mag für die schwarze Bürgerrechtsbewegung der USA große Bedeutung gehabt haben und ist unter diesem Aspekt sicherlich interessant. Wer allerdings eine ausgefeilte Utopie erwartet, wird enttäuscht.
Sutton E. Griggs, Imperium In Imperio, verschiedene Ausgaben. Das Werk ist bislang nicht auf Deutsch erschienen.
Hier eine ausführliche Besprechung zum Buch in englischer Sprache:
https://lavelleporter.com/2013/02/17/academic-novel-imperium-in-imperio/
Verschiedene E-Book-Versionen des Textes können hier kostenlos heruntergeladen werden: http://www.gutenberg.org/ebooks/15454
Von diesem Buch habe ich offen gestanden noch nie etwas gehört – auch wenn es, wie Deine Rezension es ahnen lässt, offenbar literarisch nicht in der ersten Reihe spielt, finde ich das jetzt einfach vom geschichtlichen/literaturgeschichtlichen Hintergrund sehr interessant.
So ging es mir auch. Es war reiner Zufall, dass ich darauf gestoßen bin, aber dann hat es mich sehr interessiert. Ich wundere mich immer noch darüber, dass ein Buch, das von vielen Seiten als so wichtig für die amerikanische Bürgerrechtsbewegung beschrieben wird, nicht irgendwo einmal auf Deutsch erschienen ist oder besprochen wurde (falls jemand doch was findet, immer her damit).