Klein und frei: Bei unabhängigen Verlagen zu Gast – Teil 2/2

Wo es heute häufig um optimiertes Marketing und Auflagen in Millionenhöhe geht, gibt es sie öfter als man denkt: Die ein-zwei-drei-Mann oder –Frau-Verlage, die ihre Bücher selbst machen. Von Hand und von Anfang bis Ende. Mit viel Liebe und noch mehr Herzblut. Auf der Leipziger Buchmesse organisierte Barbara Miklaw vom Mirabilis Verlag bei Meißen einen kleinen Bloggerrundgang bei einigen ihrer Kollegen, die sich viel Zeit nahmen, von ihrer Arbeit zu berichten.

guggolz

Sebastian Guggolz reist herum und sucht verborgene Schätze, großartige Bücher, die auf ihrem Weg nach Deutschland verloren gegangen sind und vergessen wurden. Mit „Das weiße Leintuch“ (hier mein persönlicher Eindruck) hat er zur Leipziger Buchmesse so einen Schatz ausgegraben und mit der Schwerpunktsetzung auf Nord-, Mittel- und Osteuropa wird das garantiert wieder gelingen. Und weil nicht nur der gemeine Leser es ungemein sympathisch findet, dass der Guggolz-Verlag in ferne Länder zu reist und dort in alten Büchern zu stöbert, wurde er in diesem Jahr mit dem mit 5000 Euro dotierten Förderpreis der Kurt-Wolff-Stiftung ausgezeichnet. Eine vielversprechende Neuerscheinung ist „Reisen ohne Ziel“ (1932) von Harry Martinson, die auch dem Übersetzer Klaus-Jürgen Liedtke sehr am Herzen liegt. Er war am Stand anzutreffen und mit einem Augenzwinkern auf dem Sprung zu einer Lesung, denn „irgendwer muss ja lesen, wenn nur tote Autoren verlegt werden“. Wer auf den Geschmack kommen möchte, sollte sich auch unbedingt die Baltic Sea Library anschauen, die online in verschiedenen Sprachen Gedichte und Geschichten aus der Ostseeregion anbietet.

onomatoWer denkt, „das Wort kenn ich doch…“ hat Recht. Wie auch bei der Onomatopoesie geht es beim onomato-Verlag aus Düsseldorf viel um sprachlichen Klang. Der Verleger Axel Grube vertont als ausgebildeter Sprecher die Werke großer Namen wie Hannah Arendt, Robert Musil und Friedrich Nietzsche. Obwohl alle Hörbücher ganz zeitgemäß auch als Download verfügbar sind, machen die aufwendigen CD-Verpackungen doch einiges mehr her. Ein besonderer Hingucker, der mich zum Schmunzeln und Staunen brachte waren die „Kafka für Kinder“-Bücher, die kleine Geschichten und Fragmente des Autors bunt illustriert für Kinder aufbereiten. Gemeinsam mit den Werken des ausgezeichneten Kafka-Biografen Reiner Stach hat der Verlag  einen besonderen Schwerpunkt auf Franz Kafka.

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Der Weidle-Verlag hat sich ursprünglich auf die Literatur der Weimarer Republik spezialisiert. Nachdem dieser Zeit mittlerweile auch ihre letzten literarischen Machwerke abgerungen wurden, bringt der Verlag derzeit zwei bis drei Bücher im Jahr heraus. Und diese dann mit großer Überzeugung (Das traf übrigens ausnahmslos auf alle Verlage zu, mit denen ich gesprochen habe). Wer denkt, nach Weimar findet man hier leicht Angestaubtes, der irrt. Zuletzt erschien im Weidle-Verlag das brandaktuelle Werk „Der Spaziergänger von Aleppo“ (hier zur Besprechung auf dem Blog), zielsicher ausgesucht und der Leserschaft wunderschön verpackt dargeboten. Stefan Weidle ist eine Größe der „Szene“: Kurt-Wolff-Stiftung, Mainzer Buchmesse, Zwickauer Literaturfrühling – wer ihn treffen möchte, hat nicht nur eine Möglichkeit.

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– heute schon gelesen…? Ist das vorwitzig-wache Moto des jungen Mirabilis-Verlags. Falls nicht, wird es höchste Zeit zum Lesen. Am besten gleich den gerade erschienenen Erzählband von Arno Dahmer (seine Lesung in Leipzig zusammen mit Saxophonist Bernd Krause war großartig!). Auch sonst ist der Verlag auf Erzählungen spezialisiert und beweist mit melancholisch-ernsten Kindheitserinnerungen wie „Grindelwald“ oder surreal anmutenden Geschichten vom Erwachsenwerden wie „Ein ungeheuerlicher Satz“ (Besprechungen hier und hier) ein ausgesprochen gutes Händchen für bislang unbekannte Autoren. Die Verlegerin Barbara Miklaw ist auch Mitinitiatorin des nun schon zum dritten Male stattfindenden Zwickauer Literaturfrühlings und hat mit viel Engagement ein Programm auf die Beine gestellt, das sich sehen und hören lassen kann!

stricheVielleicht ist aufgefallen, dass ich über jeden der Verlage nur Gutes zu sagen hatte. Das liegt zum einen an den sehr sympathischen Vorstellungen, die die einzelnen Verleger gegeben haben – sie haben sich Zeit genommen und sich auch nicht gescheut, von den Schwierigkeiten zu berichten, denen sie begegnen: wenn ein Autor, den sie entdeckt haben, plötzlich von einem größeren Verlag mit viel Geld abgeworben wird. Wenn man den Verlag (noch) nebenberuflich betreibt und sich erst in Lektorat, Marketing und Vertragswesen einarbeiten muss. Zudem ist mir der ausgesprochen kollegiale Umgang der kleinen Verlage miteinander aufgefallen. Mit der Zeit lernt man sich kennen, die kleinen Stände auf der Buchmesse erzeugen noch zusätzlich Nähe, man kommt ins Gespräch und hilft sich. Das hat mich beeindruckt. Wer mit so viel Leidenschaft und Herzblut allen Widerständen zum Trotz beschließt, dass es Autoren gibt, die eine Veröffentlichung verdienen, dass es Geschichten gibt, die Leser kennen lernen sollten, hat es wirklich verdient, dass seine Bücher gekauft werden. Bei den kleinen unabhängigen Verlagen war die Liebe zum Buch mit den Händen greifbar. Ein herzliches Dankeschön an alle Verlagen für die Einblicke und weiterhin viel Erfolg!

4 Gedanken zu „Klein und frei: Bei unabhängigen Verlagen zu Gast – Teil 2/2

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