J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe – Anhänge und Register (Erstausgabe 1954)

Die Anhänge geben einen knappen, gut strukturierten Überblick über die Zeitalter vor und die Jahre nach dem Herrn der Ringe. Die ersten drei Zeitalter, die mehrere tausend Jahre umfassen, werden hier anhand von Stammbäumen und Schlachten dargestellt. Wichtige Legenden, die auch – zumindest am Rande – eine Rolle in Tolkiens bekanntestem Werk spielen, finden sich ebenso wie die Hintergründe der Ringgefährten und ein Überblick über die verschiedenen Sprachen Mittelerdes sowie seine Zeitrechnungen.

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Sehr gelungen ist, dass in der deutschen Ausgabe die Anmerkungen des Übersetzers Wolfgang Krege zur Aussprache der deutschen und englischen Wörter beibehalten wurden. Die Ahnentafeln und Alphabete der elbischen Sprachen sind als übersichtliche Abbildungen abgedruckt und verleihen den Anhängen tatsächlich einen Charakter als hilfreiches Nachschlagewerk. Am Ende des Bändchens finden sich dann auch verschiedene Register, jeweils nach Sachen, Orten, Personen/Tieren und Liedern und Gesängen geordnet. Um diese benutzen zu können, muss man allerdings den Herrn der Ringe und das Silmarillion in der Ausgabe des Klett Cotta-Verlages lesen.

Problematisch fand ich die immer wieder eingestreuten Anmerkungen Tolkiens zur „Minderwertigkeit“ verschiedener Völker (von ihm als „Rassen“ bezeichnet). Dabei hat es weniger ungute Assoziationen geweckt, wenn phantastische Völker wie die Elben auf die Menschen u. a. wegen ihrer Kurzlebigkeit hinabsehen, sondern vielmehr, wenn ein Menschenreich auf das andere hinabsieht, weil seine Bewohner dunkle Haut haben und (deshalb) auch charakterlich „verschlagen“ sind. Im Nachgang habe ich einiges zum Rassismus in Tolkiens Werken gelesen, wobei mich das Hauptargument, man müsse die Zeit der Entstehung berücksichtigen, nicht überzeugte. Er schreibt als „Kind seiner Zeit“ ja schließlich auch von starken Königinnen oder einer Kriegerin, die als Mann getarnt den Erzfeind des Königreiches tötet. Man sollte an aus heutiger Sicht problematischen Stellen von Verlagsseite noch Fußnoten einfügen und ggf. auf Briefe Tolkiens oder Sekundärliteratur verweisen, um diese Stellen nicht unkommentiert stehen zu lassen.

Ich habe mich in den Anhängen und Registern durch die klare Struktur und strikte Chronologie gut zu Recht gefunden und eine Menge Neues über Mittelerde und seine Bewohner – insbesondere über die Ringgefährten – gelernt. Natürlich ist das Bändchen nur etwas für Fans von Tolkiens Werken, alle anderen werden die ausführlichen Beschreibungen (wüsste man es nicht besser, würde man Etliches für wahre Geschichtsschreibung halten) langweilen oder nichtssagend erscheinen. Allen Fans aber geben die Anhänge spannende Zusatzinformationen direkt aus Tolkiens Feder.

J. R. R. Tolkien, Der Herr der Ringe. Anhänge und Register, aus dem Engl. von Wolfgang Krege, vollständig aktualisierte und überarbeitete Übersetzung, Klett-Cotta 2016, 208 Seiten, 11,95€, ISBN: 978-3-608-93980-4.

Zum Buch auf die Verlagsseite

Die Anhänge erschienen ursprünglich im englischen Original als Teil des Bandes „Die Rückkehr des Königs“ und werden als eigenständiges Buch zusätzlich zur dreibändigen Ausgabe des Herrn der Ringe vom Klett Cotta-Verlag herausgegeben.
Die oben abgebildete Karte von Beleriand ist nicht in den Anhängen enthalten, sondern separat im Klett-Cotta Verlag erschienen.

5 Gedanken zu „J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe – Anhänge und Register (Erstausgabe 1954)

  1. „Im Nachgang habe ich einiges zum Rassismus in Tolkiens Werken gelesen, wobei mich das Hauptargument, man müsse die Zeit der Entstehung berücksichtigen, nicht überzeugte. Er schreibt als „Kind seiner Zeit“ ja schließlich auch von starken Königinnen oder einer Kriegerin, die als Mann getarnt den Erzfeind des Königreiches tötet.“

    Hier ist Dein Urteil meiner Meinung nach ein bisschen zu hart, weil Du annimmst, dass es ungewöhnlich ist, dass Tolkien von starken Königinnen und Kriegerinnen schreibt. Das ist es aber nicht. In den Vorlagen aus der germanischen und nordischen Sagenwelt, die Tolkien für seine Werke nutzte, kamen ja durchaus ein paar solcher Damen vor, insofern ist es wenig überraschend und keineswegs „modern“, dass sie auch bei ihm vorkommen. Auch in der Antike haben wir solche Geschichten ja schon, wenn Du z.b. mal an Artemisia denkst.

    Bezeichnend ist, dass diese Frauen Ausnahmen sind, womit sich zeigt, dass Tolkien – wie beim möglichen Rassismus – eben doch ein Kind seiner Zeit war.

    Nichtsdestotrotz verstehe ich natürlich, weshalb Dir das Bauchschmerzen bereitet. Deine Idee, Fußnoten zu setzen, die das thematisieren, finde ich daher gut.

    1. Wie schön, dass du so aufmerksam mitliest! Genau hier habe ich schon beim Schreiben den Schwachpunkt meiner Argumentation bemerkt, aber dann gedacht, dass Tolkiens mythologische Vorlagen gerade nicht ,,seiner“ Zeit entstammen. Mir ist nicht bekannt, ob in diesen alten Werken eine Rolle spielt, was wir heute als Rassismus bezeichnen würden. So sieht es für mich als Betrachterin ohne vertieftes Wissen über die genauen Lebensumstände Tolkiens so aus, als habe er sich bzgl. der Wertigkeitsunterschiede seiner Völker aus der Zeitgeschichte bedient (vielleicht auch mit dem Blick auf die Politik in Südafrika), hinsichtlich seiner Königinnen und Kriegerinnen aber auf Material zurückgegriffen, dass nicht unmittelbar seiner Zeit entstammt. Ich würde es daher als vereinfachend und nicht zutreffend empfinden, ihn als „Kind seiner Zeit“ zu „entschuldigen“, da er dort, wo es der Geschichte förderlich war, durchaus auf andere Wertvorstellungen zurückgegriffen hat.

      PS: Deinen Artikel zum Ring des Gyges habe ich mit großem Interesse gelesen!

      1. Wenn Du es so formulierst, funktioniert Deine Argumentation wieder! 😉

        Gute Frage, wie das in der germanischen und nordischen Mythologie mit „Rassismus“ aussieht …

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