Lauren Groff: Licht und Zorn (2016)

Eine Ehe, in welcher der Mann die Frau eigentlich gar nicht kennt. „Licht und Zorn“ kommt zweigeteilt mit vielerlei Überraschung daher und schreckt auch vor Vulgarität nicht zurück. Obwohl die Geschichte auf raffinierte Art erzählt wird, konnte mich Groffs Werk nicht überzeugen.

Die erste Hälfte des Buches „Licht“ beschreibt die Ehe aus Sicht des Protagonisten Lancelot „Lotto“ Satterwhite, eines gut situierten Frauenhelden, gescheiterten Schauspielers und später äußerst erfolgreichen Dramatikers. Mit 22 Jahren heiratet er die bildschöne Außenseiterin Mathilde, wird enterbt und führt ein bescheidenes Leben in ihren Armen – mit einem Ego, das für sie beide reicht. Weinerlichkeit, Theatralik und die Sucht nach Aufmerksamkeit sind bei ihm inklusive.
Zorn“ erzählt die Geschichte Mathildes. Ihre Herkunft, ihre Beweggründe, ihre Handlungen – vieles, was für Lotto im Dunklen bleibt, erfährt dafür der Leser. Die Geschichte Mathildes ist ungleich spannender, sie ist eindeutig die interessantere Figur in dieser Ehe und hält im Verborgenen alle Strippen in der Hand.

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Über hunderte Seiten wusste ich nicht, worauf diese Geschichte hinausläuft. Am Ende ist einiges klarer, aber warum man diese narzisstische Nabelschau des männlichen Protagonisten als „Thriller“ bezeichnet, erschloss sich mir bis zum Ende nicht. In der zweiten Hälfte des Romans werden dann zwar endlich einige dunkle Geheimnisse gelüftet und die Handlung nimmt Fahrt auf. Bis dahin muss man als Leser aber erst einmal vordringen. Ich war unzählige Male versucht, das Buch abzubrechen und finde die Strategie, zuerst die ungleich reizlosere Geschichte Lottos zu erzählen, zu riskant. Fast hätte ich es nicht bis zur zweiten Hälfte geschafft; einzig der Aufkleber „Lieblingsbuch von Barack Obama“ und meine Neugier, was an diesem Buch so besonders sein soll, hielten mich am Ball.

Bemerkenswert ist die ungezwungene Verständlichkeit, mit der homosexuelle Beziehungen oder Bisexualität eingeflochten wurden. Was mir nicht gefallen hat, war die völlige Übersexualisierung jeder einzelnen Figur in dieser Geschichte: Der verständnisvolle Internatslehrer tröstet Lotto, nachdem dieser dem Selbstmord eines Mitschülers beiwohnen musste. Dann missbraucht er ihn. Seinem Freund Chollie werden dessen Orgien zum Verhängnis. Wie Mathilde sich das College finanziert hat, kann man jetzt wohl erraten. Wenn ich zurückblicke, kann ich mich nicht erinnern, dass auch nur eine einzige der zahlreichen Figuren nicht anhand ihrer Sexualität beschrieben wurde. Durch seine übermäßige Anwendung verliert dieses Mittel an Wirkung und gibt dem Roman eine Vulgarität, die mich beim Lesen gestört hat. Sätze wie

„Dann zeigte der Mond sein aufgedunsenes Gesicht, pisste weiß aufs Wasser.“ S. 28

taten ihr Übriges, um diesen Eindruck zu verstärken. Zusammen mit den verschwenderisch eingestreuten Ein-Satz-Schockern, die wahlweise beiläufig auf die AIDS-Erkrankung einer Randfigur oder deren Magersucht hindeuten, empfand ich die Beschreibungen als zu gewollt, zu künstlich und insgesamt als mir zu obszön. Ich verstehe, dass die Geschichte aufgrund ihres zugegeben raffinierten Aufbaus das Potenzial hat, eine gewisse Faszination hervorzurufen. Bei mir ist das leider nicht gelungen.

Lauren Groff, Licht und Zorn (OT: Fates and Furies, aus dem Englischen von Stefanie Jacobs), Hanser Berlin 2016, 432 S., 24€, ISBN-13: 978-3446253162. Auch als Taschenbuch erhältlich.


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7 Gedanken zu „Lauren Groff: Licht und Zorn (2016)

  1. Das ist eine interessante Rezension. Ich hatte bisher nur! Lobeshymnen gelesen/gehört und dieses Buch daraufhin ganz oben auf meiner Lesewunschliste gehabt. Vielen Dank für diese neuen Aspekte.

    1. Hallo Gabriele,
      danke für deinen Kommentar. Ich hatte vor der Lektüre gar nichts zum Buch gelesen und habe auf der Suche nach Verweis-Rezensionen auch sehr viele positive gefunden. Hin und wieder griff auch mal jemand die Punkte auf, die mich gestört haben, sodass ich glaube, dass sich an diesem Buch die Geister scheiden und es letztlich reine Geschmackssache ist. Ich bin gespannt, wie es dir gefällt. Hinterlasse gern hier einen Kommentar, wenn du es gelesen hast.

  2. Juhu,

    ich finde ja diese Aufkleber aktuell imm Interessant auf den Büchern. Ich glaube Barack Obama arbeitet mittlerweile für einen Verlag ?
    Ich finde es hört sich dennoch interessant an, ich schaue es mir mal näher an.
    Liebe Grüße
    Lana

    1. Hallo Lana,
      ja, da wurden ja auch einige Rechte an der Obama-Geschichte eingekauft, glaube ich. Na ja, der Sticker hat mich mehr angesprochen als die sonstigen ,,Bestseller“-Sticker. Offenbar fallen sein und mein Geschmack hier auseinander ;-). Aber ich meine gelesen zu haben, dass er auch hin und wieder Leselisten veröffentlicht. Da sind bestimmt auch gute Tipps dabei.http://www.spiegel.de/kultur/literatur/barack-obama-und-seine-lieblingslektuere-buecher-bauen-bruecken-a-1130328.html
      Viele Grüße
      Jana

      1. Da hast du auf jeden Fall recht. Allemal besser als die „Bestseller“ oder „Wie Game of Thrones“ Aufkleber. Ich habe aktuell auch so eine Obama Empfehlung gelesen „Die Drei Sonnen“. Hier bin ich ihn sogar echt dankbar. Danke für den Link. Ich schaue gleich mal vorbei.
        Liebe Grüße

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