Ich bin zufällig auf das großartige Hörbuch von Elizabeth Acevedo The Poet X gestoßen, das die Liebe zur Lyrik feiert – auf sehr zeitgemäße und moderne Art als Own Voice Afro-Latin Poetry Slam.
Xiomaras New York
Die fünfzehnjährige Xiomara lebt zwischen den Welten. In der Schule ist sie New Yorkerin wie ihre Mitschüler, zu Hause dreht sich alles um ihre dominikanische Herkunft. Es wird Spanisch gesprochen und ihre Mutter nötigt ihr ein katholisches Ritual nach dem anderen auf. Ausgehen und Jungs sind tabu. Rapmusik und alles, was nicht mit der Kirche zu tun hat, ebenso.
Doch Xiomara hat ihren eigenen Kopf. Sie sieht nicht ein, dass sie sich von den Männern in ihrem Viertel nachpfeifen lassen muss, nur weil sie groß ist und Brüste und einen Hintern hat. Sie wehrt sich mit Worten, aber wenn es drauf ankommt auch mit ihren Fäusten.
Weil das aber auch nicht gern gesehen ist, macht Xiomara sich dann doch meist klein und behält ihre Gedanken für sich. In ihrem Tagebuch ist sie dafür umso lauter. In ihre Verse steckt sie all ihre Energie; die Texte bersten fast vor Verzweiflung, Wut und einem unbändigen Lebenshunger.
Unglaublich authentisch
Schon nach den ersten Worten war klar: Elizabeth Acevedo The Poet X werde ich nicht abbrechen. Ich habe es in der englischen Version gehört und bin immer noch begeistert von der Art der Autorin Elizabeth Acevedo, ihren Text zu erzählen. Das Hörbuch klingt an vielen Stellen wie ein sehr, sehr guter Vortrag auf einem Poetry Slam. Elizabeth Acevedo liest nicht einfach nur, sie interpretiert ihre Verse, spielt mit dem alltäglichen Spanglish; lässt Xiomara mal stark, mal ungeheuer verletzlich klingen. Hier bekommt Own Voice gleich noch mal eine viel tiefere Bedeutung, denn Wortwahl, Ton und Interpretation schaffen eine Authentizität, die ich bei einem Hörbuch noch nie erlebt habe.
Konventionell, aber sehr besonders
Die Geschichte handelt von erster Liebe, Problemen mit den konservativen Eltern und der Schwierigkeit, seinen eigenen Weg zu finden. Damit ist sie ziemlich konventionell und könnte zwischen tausend ähnlichen Geschichten verschwinden. Was The Poet X so besonders macht, ist eben seine Authentizität, die durch einen Blick auf die Vita der Autorin bestätigt wird. Es scheint, als sei stecke ein Teil von Elizabeth Acevedo in Xiomara Batista. Die Herkunft, die Liebe zur Lyrik und Teilnahme an Poetry Slams, das Aufwachsen in New York und die Abkehr vom Katholizismus sind Erfahrungen, die Acevedo mit ihrer Figur gemeinsam hat.
Fazit
Das Buch hat dann nach Erscheinen in den USA einige Preise abgeräumt – sehr zu Recht, denn Acevedo thematisiert nicht nur Immigration, Sexismus und religiöse Zweifel, sondern baut auch glaubhaft eine queere Liebesgeschichte ein. Als jemand, der sehr selten Young Adult liest – und bislang einen großen Bogen um Hörbücher in dem Genre gemacht hat – hat mich The Poet X begeistert. Ich bin gespannt, wie das Hörbuch auf Deutsch umgesetzt wird. Die englische Version war auf jeden Fall ein echtes Erlebnis.
Auf englischsprachigen Blogs gab es eine Blogtour zum Roman, hier bei Stay Bookish.
Kennt ihr das Buch oder Hörbuch? Habt ihr andere Tipps für Own Voices-Geschichten?
Hier findet ihr ein Interview mit der Übersetzerin von The Poet X über die Schwierigkeit, Poetry Slam zu übersetzen.
Weitere Bücher von und über Frauen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen:
- Leduc, Violette: Die Bastardin
- Pamuntjak, Laksmi: Alle Farben Rot
- Walker, Alice: Die Farbe Lila