Peter Keglevic: Wolfsegg (2019)

Peter Keglevic WolfseggEins kommt zum anderen und am Ende sind alle tot. Peter Keglevic‘ Roman „Wolfsegg“ erzählt eine gewaltvolle Coming-of-Age-Geschichte aus der österreichischen Bergwelt.

Der Inhalt: Schlimmer geht immer?

Die fünfzehnjährige Agnes beginnt gerade eine Ausbildung im Raiffeisen-Markt und versorgt nebenbei ihre Familie. Die Mutter ist krebskrank und bettlägerig, die beiden Geschwister verängstigt und schulmüde, der Vater oft tagelang in den Bergen verschwunden. Agnes selbst verbrachte einige Monate im Kinderheim; wie es dazu kam und was dort geschah, ist eines der großen Rätsel dieses Romans. Als dann ihr Ausbilder versucht, sie zu vergewaltigen, ihre Mutter dem Krebsleiden erliegt und ihr Vater von den Dorfbewohnern zu Tode gehetzt wird, zieht sich Agnes mit ihren Geschwistern in eine abgelegene Berghütte zurück. „Wolfsegg“ nennen sie den Ort, der auf keiner Karte verzeichnet ist. Doch obwohl sie fast völlig von der Außenwelt abgeschnitten sind, lässt die Vergangenheit Agnes nicht los – und sie macht Jagd auf alle, die Schuld an ihrem Unglück tragen.

Mein Eindruck

Agnes ist schwer traumatisiert, das tritt im Laufe der Geschichte deutlich zu Tage. Obwohl sie eine der gewalttätigsten Figuren der Geschichte ist, schafft Keglevic es, sie dem Leser nahe zu bringen. Den drei Geschwistern steht die Welt feindlich gegenüber; der Leser begreift es mit jedem Unrecht, das Agnes geschieht, mehr. Interessant dabei ist, dass wir die Eltern durch Agnes‘ Augen mit liebevollem Blick betrachten und als erwachsener Leser trotzdem wissen, dass es sich um eine dysfunktionale Familie handelt, in der die Kinder trotz all der Liebe keinen Halt haben.

„Wolfsegg“ ist gewaltvoll. Die erhabenen Berge dienen als Kulisse für blutige Jagdszenen, Morde und Vergewaltigungen. Das kaltblütige Vorgehen der Protagonistin erinnert an einen der heftigeren Tarantino-Streifen; den Namen des Regisseurs lässt Keglevic dann auch nonchalant gegen Ende der Geschichte fallen.

Fazit

Bei Peter Keglevic‘ „Wolfsegg“ folgt ein Schocker auf den nächsten, aber am Ende herrscht Gerechtigkeit. Na ja, und Grabesruh. Mir hat die düstere Mischung aus Coming of Age-Geschichte, Western, Thriller, ein wenig Dorfroman und Robinson Crusoe (insgesamt eine völlig unzureichende Beschreibung!) sehr gefallen. Liebhabern von Tarantino-Filmen und Thomas Willmanns Roman „Das finstere Tal“ sei „Wolfsegg“ wärmstens empfohlen.

Peter Keglevic, Wolfsegg, Penguin 2019.


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Seehase
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2 Gedanken zu „Peter Keglevic: Wolfsegg (2019)

  1. Puh, das klingt nach sehr heftigem Stoff. Ich bin gerade hin und her gerissen. Einerseits bin ich fasziniert von dem Setting und dem, was du schilderst, andererseits weiß ich nicht, ob ich so viel Grausamkeiten wirklich lesen möchte.

    Von „Das finstere Tal“ hatte ich die Verfilmung nach ca. 20 Minuten abgebrochen, weil ich inhaltlich nicht wirklich durchgestiegen bin. Vielleicht gebe ich dem zu einem anderen Zeitpunkt in meinem Leben noch mal eine Chance.

    1. Heftig ist die Geschichte auf jeden Fall. Ohne zu spoilern: Eine Grausamkeit reiht sich an die nächste. Als noch schlimmer empfand ich aber, als wie ausweglos der Autor die Situation seiner Protagonistin anfangs beschreibt. Jedes mal, wenn man denkt, „das kann jetzt nicht noch schlimmer für das Mädchen kommen“, setzt er noch eins drauf. Dass sie schließlich loszieht, und einen nach dem anderen tötet, ist vielleicht sogar als Akt der Selbstermächtigung zu lesen und erscheint dem Leser um einiges weniger grausam, weil er die Verkettung von Ereignissen kennt, die dazu geführt haben.

      Die Figuren werden auf jeden Fall besser eingeführt als in der Verfilmung von „Das finstere Tal“. Ich habe beim Lesen keine der Figuren verwechselt, dazu beschreibt Keglevic zu genau und hat außerdem schon phonetisch sehr unterschiedliche Namen gewählt.
      Sag gern Bescheid, falls du mal reinliest!

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