Manapouri: Der Elfenbein Verlag hat mit dem Bericht des französischen Schriftstellers Marcel Schwob über seine Reise nach Samoa einen kleinen Schatz herausgebracht. Einblicke in eine Umbruchzeit, zu der das Reisen noch beschwerlich war.
Die Reise auf der Manapouri
Aus gesundheitlichen Gründen reiste der französische Schriftsteller Marcel Schwob (1897-1905) in den Jahren 1901/1902 um die halbe Welt nach Samoa. Sein Brieffreund, der bekannte Autor Robert Louis Stevenson (Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde, Die Schatzinsel) war 1890 selbst auf die Pazifikinsel Upolu übergesiedelt und schwärmte vom angenehmen Klima. Schwob berichtet von seiner abenteuerlichen Reise u. a. auf dem Dampfschiff „Manapouri“, die ihn über Ägypten, Dschibuti, Ceylon und Australien nach Samoa führt. Gemeinsam mit seinem chinesischen Pfleger Ting und dessen Äffchen Lanka trotzt er Stürmen, Krankheiten und Mitreisenden. In langen Briefen berichtet er seiner Frau, der Schauspielerin Marguerite Moreno, von der Katastrophe, zu der sich die Reise schließlich entwickelt.
Einzigartige Einblicke
Durch Marcel Schwobs Augen erhält der Leser einzigartige Einblicke in eine Zeit, in der viele Länder wie selbstverständlich durch Kolonisierung vereinnahmt und ausgebeutet wurden. Zwar nimmt Schwob vor Ort immer Kontakt zu Mitgliedern der europäischen Elite auf. Doch er strebt auf seiner Reise danach, ursprüngliche und unverfälschte Eindrücke der Kultur des jeweiligen Landes zu bekommen. So schlägt er sich beim größten Unwetter durch den Dschungel Ceylons (Sri Lanka), um sich eine Tempelanlage zeigen zu lassen oder speist mit samoanischen Häuptlingen in deren Hütten.
Diese Berichte von untergegangen Welten sind unheimlich beeindruckend. In Zeiten von Instagram-Tourismus und tausend-Mal-gesehen, erlebt man durch Schwobs Beschreibungen das fast vergessene Staunen des allerersten Anblicks. Seine Beschreibungen sind kunstvoll und eine literarische Liebeserklärung an ihre Empfängerin, seine Frau Marguerite Moreno:
„Wie soll ich Dir das tiefe Blau des Meers beschreiben? Es hat die Farbe eines Saphirs; eines lebendigen Saphirs; die Farbe nie gesehener Frauenaugen, transparent, doch unergründlich, von einer durchsichtigen und zugleich robusten Reinheit, Juwelen, die nur unter diesem hellblauen und dunstweißen Himmel funkeln.“ S. 16
Mit bissigem Witz in die Katastrophe
Doch Marcel Schwobs Reise steht unter keinem guten Stern. Schnell stößt er an seine finanziellen Grenzen und muss um Geldsendungen aus Frankreich warten. Auch seine Gesundheit verschlechtert sich zusehends. Anfangs berichtet er noch mit bissigem Witz über die Mitreisenden.
„Die Passagiere sind widerlich. Der belgische Sonderbotschafter in Peking, grauer Morès-Hut und Monokel: Gesicht und Konversation entsprechend.“ S. 10
Später verbringt er die Tage unter Schmerzen in seiner Kabine und nur sein Pfleger Ting hält ihn am Leben. Als Schwob schließlich in Samoa ankommt, ist bei so schlechter Gesundheit, dass er umgehend die Rückreise nach Frankreich antritt. Er stirb drei Jahre später in Paris. Das Grab seines Brieffreundes Robert Louis Stevenson auf Samoa hat er nie zu Gesicht bekommen.
Die Ausgabe: Fundgrube und Schatzkiste
In „Manapouri“ erscheinen die Briefe des Schriftstellers Marcel Schwob über seine Reise nach Samoa erstmals gesammelt in deutscher Sprache. Enthalten sind die (Liebes-)Briefe an seine Frau Marguerite Moreno, die gleichzeitig den Reisebericht darstellen sowie die Korrespondenz mit Stevenson, der sich bereits auf Samoa befand und Schwob zu der Reise inspirierte. Durch Abbildungen und sehr hilfreiche Anmerkungen ist Schwobs Bericht anschaulich und trotz vieler zeitgeschichtlicher Anspielungen auch heute noch voll umfänglich verständlich.
Fazit
„Manapouri“ macht durch die hervorragend lektorierte Zusammenstellung die tragische Reise des Schriftstellers Marcel Schwob nach Samoa lebendig und ermöglicht einzigartige Einblicke in die abgelegensten Winkel der Erde zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Eine ganz große Empfehlung für Liebhaber von Reiseberichten – und Dampfschiffen.
Marcel Schwob, Manapouri. Reise nach Samoa 1901/1902; herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Gernot Krämer, Elfenbein Verlag 2017, 213 Seiten.
Wissenstipp: Eindrücke Kolonialismus, Reisen um 1900
„Manapouri“ von Marcel Schwob gewann den Preis der Hotlist 2018, einem Preis für Bücher aus unabhängigen Verlagen.
Eine Leseprobe zum Buch im Magazin Sinn und Form.
Weitere Meinungen zum Buch bei
Weitere Bücher über Seereisen
Robert Louis Stevenson – Die Schatzinsel
Jules Verne – 20.000 Meilen unter dem Meer
3 Gedanken zu „Marcel Schwob: Manapouri. Reise nach Samoa 1901/1902 (2017)“