Elise von Hohenhausen: Reisebeschreibungen (2020)

Ein Schatz deutscher Autorinnenliteratur: Die historischen Reisebeschreibungen der Elise von Hohenhausen geben Einblick in das Reisen im beginnenden 19. Jahrhundert und führen vom Westfälischen bis in die Schweiz.

Elise von Hohenhausen

Inhalt

Die „Reisebeschreibungen“ beginnen im gerade nach Napoleon preußisch gewordenen Westfalen: Elise von Hohenhausen berichtet von Aufenthalten in Minden, Porta Westfalica und Paderborn und setzt sie wiederholt zu germanischen Sagen und mythologischen Begebenheiten in Beziehung. Viele der Denkmäler und Orte, die sie besucht, sind auch heute noch Sehenswürdigkeiten. Diese – nunmehr dicht bebauten Städte – als dünn besiedelte Gegenden in den Beschreibungen der Autorin zu erleben, eröffnet einen neuen, fast heimeligen Blick auf Westfalen.

Elise von Hohenhausen fertigt dabei genaue – und nicht unbedingt schmeichelhafte –Beschreibungen der einheimischen Bevölkerung:

„Durch die öde Gegend von Paderborn, durch diese schmutzige auch wegen ihrer hügeligen Lage unangenehme Stadt fuhren wir eilig hindurch, und nichts fiel uns hier mehr auf als die Hässlichkeit unter den Menschen niederen Standes. Aus der die Sinne und den Geist fesselnden katholischen Religion erklärt sich die Apathie dieser Gesichtszüge – daher diese wie aus Holz geschnitzten Physiognomien, wo der Geist gebunden ist, schlagen auch Dummheit und Trägheit ihren Wohnsitz auf.“

S. 16

Kind ihrer Zeit

Immer wieder fällt auf, wie sehr die Autorin zum einen ihrer Zeit verhaftet ist – preußisch, evangelisch, patriotisch, standesbewusst – zum anderen Gedanken niederschreibt, die Zweifel an einer zu starken Betonung des Nationalstaates aufkommen lassen und Bewunderung für all das Neue, das sie insbesondere in der unzugänglichen Schweiz erlebt, bezeugen.

Als Leserin freut man sich über die Reflexionen, die zeigen, dass die Autorin in ihren Meinungen und Gedanken weit über ein bloßes Wiedergeben der damaligen politischen Kampagnen hinausging, allerdings ohne, dass revolutionäre oder progressive Tendenzen erkennbar wären. An einigen Stellen blitzt auch ein Humor, der andeutet, dass Gastgeber die Autorin als belesene und intelligente Gesprächspartnerin geschätzt haben müssen, auf:

„Denn müßten alle leichtsinnigen schönen Frauen, die wie die Ahnfrau gegen ihre Pflicht sündigten, auch wie sie nach dem Tode ihre Geisterwanderschaft halten, – wahrlich, dann würde man sich, besonders in großen Städten, kaum vor zahllosen Gespenstern bewegen können –“

S. 65

Vom Reisen in der Natur

Bis auf einige Ausnahmen führen Elise von Hohenhausen ihre Reisen in Kleinstädte, Dörfer und Orte fernab der großen europäischen Metropolen. Gespräche mit dem lokalen Adel, aber auch mit Pfarrern und Gelehrten stehen an den Abenden an, die angebotene Gastfreundschaft wird in Anspruch genommen, man kennt sich oder lernt sich auf den Reisen kennen.

In Hamburg trifft Elise von Hohenhausen Aussagen zum Stadtleben, in denen sich wohl viele, denen das hektische Leben in den großen Metropolen aufs Gemüt schlägt, auch heute (in noch hektischeren Zeiten) wiederfinden können:

„Mir däucht in einer großen Stadt, im unaufhörlichen Wechsel der Ereignisse, verströmt das Leben schneller, man sammelt weniger Erinnerungen, alle Bande der Freundschaft, der Geselligkeit sind lockerer, und das Alter verarmter als in kleinern Städten, wo die Individualität sich mehr in Häuslichkeit und in der Gemüthswelt konzentrirt.“

S. 41

Mein Eindruck

Die mit Orts- und Namensangaben sehr detailliert ausgestalteten Reisebeschreibungen der Elise von Hohenhausen haben mir meine westfälische Heimat – und darüber hinaus viele weitere Orte – in einem neuen Licht gezeigt. Mit Begeisterung erkannte ich heute noch sehenswerten Orte wieder und freute mich über die anschaulichen Beschreibungen des teils beschwerlichen Reisens zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Hier hätten gern noch mehr Details auftauchen können, denn neben den Namen der Gastgeber im jeweiligen Ort, die zu nachträglicher Recherche einladen, hätte mich sehr interessiert, wie ein Reisekleid unterwegs vor dem anstehenden Dinner gereinigt wird oder wie das Packen und das Speisen vonstattenging.

Etwas vermisst habe ich Anmerkungen oder Fußnoten zu einzelnen Begebenheiten; das Nachwort von Klaus Gruhn hielt aber noch einige weiterführende Informationen bereit. Besonders zur Anschaulichkeit des Textes beigetragen haben die Abbildungen, die die bereisten Orte etwa zur Zeit der Entstehung der Reisebeschreibungen zeigen.

Fazit

Elise von Hohenhausens Reisebeschreibungen sind unterhaltsam, scharfsinnig und auch heute noch unbedingt eine Lektüre wert. Als frühe deutschsprachige Reiseschriftstellerin und Salonnière erhalten ihre feuilletonistischen Berichte noch nicht die Aufmerksamkeit, die den Werken von Annette von Droste-Hülshoff, Rahel Varnhagen von Ense oder Bettina von Arnim zu Teil werden – allen Interessierten an der Autorinnenliteratur jener Zeit seien sie aber sehr ans Herz gelegt.

Die Autorin

Elisabeth Philippine Amalie Freifrau von Hohenhausen (1789–1857) wurde bei Kassel als älteste Tochter eines kurhessischen Offiziers und der Tochter eines Dorfpfarrers geboren und ging 1809 eine arrangierte Ehe mit dem aus einer alteingesessenen westfälischen Adelsfamilie stammenden Leopold von Hohenhausen ein. 1811 begann Elise von Hohenhausen ihre literarische Karriere mit Übersetzungen aus dem Englischen und eigenen Reisebeschreibungen. Ihre Werke gelten als frühes Beispiel deutschsprachiger Reiseliteratur von Autorinnen.


Elise von Hohenhausen: Reisebeschreibungen. Herausgegeben von Klaus Gruhn, Aisthesis Verlag 2020, 109 S.

Weitere historische Reisebeschreibungen hier auf dem Blog

2 Gedanken zu „Elise von Hohenhausen: Reisebeschreibungen (2020)

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