Gaston Dorren weiß, worüber er schreibt: Der Niederländer spricht selbst sechs Sprachen und liest in neun weiteren. Sein neuestes auf Deutsch erschienenes Sachbuch „In 20 Sprachen um die Welt“, das auf Englisch passenderweise den Titel „Babel“ trägt, verfasste er auf Niederländisch und Englisch.
Inhalt
Die Hitliste der 20 meistgesprochenen Sprachen beginnt Gaston Dorren mit dem Platz 20 (Vietnamesisch) und arbeitet sich über Persisch (Platz 15), Französisch (Platz 10) und Bengalisch (Platz 6) schließlich zum Englischen auf dem Spitzenplatz vor.
Das Sachbuch ist gut überlegt aufgebaut und strukturiert. Den 22 Kapiteln von 15-20 Seiten wird jeweils eine kurze Einleitung über die Anzahl der Sprechenden in Erst- und Zweisprache und deren geografische Verortung vorangestellt. Dann folgt eine Übersichtsseite mit kurzen Erläuterungen zur Sprachfamilie, Schrift, Grammatik, Besonderheiten der Aussprache, der Übernahme von Lehnwörtern (etwa von niederländischen Lehnwörtern ins Japanische oder englischen ins Koreanische) und in den deutschen Sprachgebrauch eingegangene Wörter aus der jeweiligen Sprache (z. B. das Wort „Safari“ aus Suaheli).
Lieberinnen und Liebhaber der japanischen Sprache kommen besonders auf ihre Kosten, denn Gaston Dorren widmet ihr als einziger Sprache gleich zwei Kapitel: Mit 130 Millionen Sprechenden liegt sie auf Platz 13 der Rangliste und weist neben vielen sonstigen Besonderheiten einen spannenden Unterschied zwischen sog. „Männer- und Frauensprache“ auf, den Dorren unter Berücksichtigung der dahinterstehenden sozialpolitischen Debatte unter die Lupe nimmt. Auf dem zweiten Platz liegt eigentlich Mandarin, doch hier nimmt sich Dorren noch einmal des Japanischen an, insbesondere den verschiedenen japanischen Alphabeten. Neben den Unterschieden und Gemeinsamkeiten geht er besonders auf die Abstammung von chinesischen Schriftzeichen ein.
Meinung
Gaston Dorren schafft es, auf nur 15-20 Seiten die Besonderheiten der jeweiligen Sprache so herauszustellen, dass man nach jedem Kapitel euphorisch nach Sprachlernmaterial stöbert – nur um dann im nächsten Kapitel seine Pläne zugunsten einer anderen Fremdsprache über den Haufen zu werfen. Die überschaubare Kapitellänge trägt dazu bei, dass der Autor sich auf einige wenige Besonderheiten konzentriert und dabei eine kurze Einordnung in den jeweiligen historischen und kulturellen Kontext vornehmen kann. So enthält man komprimierte, gut lesbare Detailinformationen.
Sprachforscher Dorren schreibt kenntnisreich und unterhaltsam. Er garniert verschiedene Kapitel mit eigenen Anekdoten seiner Erfahrung als Lernender und berichtet, welche Sprachen für ihn eher schwierig zu erlernen waren und warum. Dabei gelingt es ihm, nicht in einer Betrachtung der historischen Sprachentwicklung stecken zu bleiben, sondern die Bedeutung der 20 meistgesprochenen Sprachen für Wirtschaft, Kultur und gegenseitiges Verständnis herauszuarbeiten.
Fremdsprachen faszinieren mich seit der Englischunterricht in der fünften Klasse begann. Sprachfamilien, verschiedene Alphabete, historische Sprachentwicklung – einen ganzen Abend kann ich mit Wikipedia-Artikeln hierzu verbringen. Gaston Dorrens Werk „In 20 Sprachen um die Welt. Die größten Sprachen und was sie so besonders macht“ veranschaulicht auf unterhaltsame Weise den Siegeszug der derzeit 20 meistgesprochenen Sprachen und geht dabei auf spannende Feinheiten wie „Männer- und Frauensprache“ im Japanischen ebenso ein wie die selbstverständliche Mehrsprachigkeit vieler Bewohner afrikanischer Länder. Er erklärt, wie sich die europäischen Sprachen in Nordamerika verbreiteten, warum es hier knappe Kopf- an Kopfrennen gab und warum das Französische in vielen Bereichen durch Englisch abgelöst wurde.
Sehr gut gefallen hat mir, dass Dorren sich zwar ausführlich mit den größten romanischen Sprachen beschäftigt, aber ebenso kenntnisreich auf süd- und ostasiatische Sprachen (Japanisch, Koreanisch, Javanisch, Hindi-Urdu. Malaiisch, Panjabi, Vietnamesisch, Tamil, Bengalisch) eingeht und auch Suaheli nicht außen vorlässt. Die Beschreibungen der einzelnen Sprachen mit ihren kulturell bedingten Besonderheiten umfassen immer wieder Ausflüge in die Eigenheiten geografisch benachbarter Sprachen und (kolonisatorisch) bedingter Einflüsse.
Fazit
„In 20 Sprachen um die Welt“ von Gaston Dorre ist ein unterhaltsames und kenntnisreich geschriebenes Sachbuch, auf dem die Liebe des Autors zu Sprachen auf jeder Seite deutlich wird. Durch den übersichtlichen Aufbau und die klare Kapitelstruktur eignet sich das Buch auch nach dem ersten Lesen als Nachschlagewerk zu den einzelnen Sprachen.
Gaston Dorren: In 20 Sprachen um die Welt. Die größten Sprachen und was sie so besonders macht, OT: Babel. Around the World in Twenty Languages, aus dem Englischen von Juliane Cromme, Verlag C.H. Beck 2021, 400 S., 28 EUR.
Wissenstipp!: Sprachen
„In 20 Sprachen um die Welt“ von Gaston Dorre war eines meiner fünf Lieblingsbücher im Lesejahr 2022.