Unlearn Patriarchy war eines der wenigen Bücher, die ich abgebrochen habe. Hinsichtlich der in den letzten Jahren im deutschen Buchhandel angekommenen Welle erzählender feministischer Sachliteratur (häufig von den o. g. Autorinnen auch in diesem Werk) beeinflusst, nahm ich diese Essaysammlung zur Hand. Zuletzt hatte mich Kübra Gümüşays Werk Sprache und Sein für Sprachmuster und die Wirkung von (öffentlicher) Sprache sensibilisiert; ähnliche Wirkung erhoffte ich mir auch von Unlearn Patriarchy.
Doch wie schon der englischsprachige Titel hätte ahnen lassen, bedarf es zur Lektüre einiges an Vorwissen. Viele vertretene Positionen aus den Bereichen Feminismus und Gender-Studies blicken auf einen vorangegangenen teils jahrzehntelangen Diskurs zurück. Wer diesen – wie ich – nicht kennt, kann den hier meist nur kurz angerissenen Argumentationen aufgrund ihrer Kürze und der Unkenntnis verschiedener, teils eins zu eins aus dem Englischen übernommener Begriffe, nicht vollumfänglich folgen. Oft habe ich mir Anmerkungen, Fuß- oder Endnoten gewünscht.
Als befremdlich empfand ich die extrem große Bandbreite der Essaystile. Von fast akademischen Abhandlungen bis hin zu persönlichen Erfahrungsberichten – oder einer Mischung aus beiden – unterschieden sich die Essays in ihrem jeweiligen Stil so stark, dass es schwerfiel, eine gemeinsame Linie zu erkennen. Als Leserin hätte ich mir gewünscht, dass die Individualität der Stimmen zugunsten der Schaffung eines einheitlichen, besser lesbaren Werkes im Lektorat jedenfalls sprachlich oder inhaltlich-strukturell etwas angeglichen worden wäre. Denn von außen ist absolut nicht ersichtlich, ob man es hier mit einer Sammlung von Erfahrungsberichten oder theoretischen Abhandlungen zu tun hat.
Unlearn Patriarchy eignet sich besonders dann, wenn man sich als Leserin erst einmal einen Überblick über die Vielzahl der im deutschsprachigen Raum verhandelten Themen schaffen will, um dann zu im Anschluss zur Monografie der jeweiligen Autorin oder des jeweiligen Autors zu greifen.
Fazit
Die bunte Sammlung feministischer Essays Unlearn Patriarchy habe ich abgebrochen. Für mich waren die einzelnen Texte der Anthologie sprachlich und stilistisch zu unterschiedlich und ich habe oftmals eine klare Struktur vermisst. Auch fehlte mir oftmals Hintergrundwissen zu den jeweiligen Diskursen, was ich aufgrund mangelnder Fuß- und Endnoten als besonders anstrengend empfand. Den gerade erschienen Nachfolgeband Unlearn Patriarchy 2 werde ich daher wohl nicht lesen.
Unlearn Patriarchy von Madeleine Alizadeh (dariadaria); Teresa Bücker; Kübra Gümüşay; Friederike Otto; Kristina Lunz; Emilia Roig; Kenza Ait Si Abbou; Ise Bosch; Olaolu Fajembola; Tebogo Nimindé-Dundadengar; Laura Gehlhaar; Linus Giese; Lena Marbacher; Margret Rasfeld, Ullstein Verlag 2022, 320 S.
Ich glaube, der stilistische Unterschied würde mich nicht stören, bin aber sicher, dass ich auch nicht folgen könnte, wenn so viel Wissen vorausgesetzt wird. Schade.
Oh schade, dass das so eine frustrierende(?) Erfahrung war. Ich schlich ja auch einige Male drumherum. Da ich aber irgendwie gefühlt immer schon ein anderes Sachbuch angefangen hatte, kam es nie dazu. Ich hatte gehofft, dass es nicht so stark wissenschaftliche Essays enthielte und dass man auch ohne Gender Studies folgen kann … 🙁