[Roman] Rin Usami: Idol in Flamen (2020/2023)

Idol in FlammenDer Debütroman der japanischen Autorin Rin Usami „Idol in Flammen“ bietet eine zeitgenössische Perspektive auf das „Fan-Sein“ im 21. Jahrhundert. Weniger behandelte Themen wie ADHS und Depressionen bei japanischen Schülerinnen, finden ebenfalls Beachtung.

Inhalt

Die jugendliche Akari kommt in der Schule schlecht zurecht. Sie kann sich schlecht konzentrieren und Ordnung zu halten, fällt ihr schwer. In ihrer Familie – der Vater meist abwesend, die Mutter meist genervt – stößt sie damit auf Unverständnis. Neben einer Schulfreundin pflegt sie kaum Kontakte in der realen Welt und lebt, fast als eine Art Hikikomori, ausschließlich online. Sie zieht sich zurück und gibt sich ihrer Obsession für Masaki, den Sänger einer japanischen Band, hin.

„Mein Idol wird für immer und ewig nur er bleiben. Nur er bewegt mich, spricht zu mir und akzeptiert mich.“

S. 38

Als Masaki beschuldigt wird, einen Fan geschlagen zu haben, gibt Akari alles. Sie verteidigt ihn in Internetforen, füttert ihren Fan-Blog mit Informationen und kauft noch mehr Merchandise, um ihr Idol zu unterstützen. Doch Masaki zieht sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück und für Akari beginnt ein schmerzhafter Abnabelungsprozess.

Meinung

Sowohl der Sprache als auch der Handlung des Romans merkt man an, dass die 1999 geborene Autorin Rin Usami sich mühelos in der Peergroup ihrer Protagonistin bewegen könnte. Recherchemöglichkeiten, Social-Media-Posts und die ständig über das allgegenwärtige Smartphone einströmende Informationsflut flechtet sie so mühelos wie selbstverständlich in die Romanhandlung ein, dass man als Leserin weiß: Rin Usami gehört zu der Generation, über die sie schreibt.

So überrascht es nicht, dass sie sich auch mit dem Thema mental health, psychischer Gesundheit, auseinandersetzt. Ihre Protagonistin ringt mit ADHS und auch mit mutmaßlichen Depressionen; Usami scheut sich nicht, sie in Behandlung zu schicken und unter Medikamente (die sie nicht einnimmt) zu stellen. Dabei wird deutlich, wie wenig gesellschaftlich erwünscht die Verhaltensweisen sind, die ihre Heldin Akari an den Tag legt: unordentlich, unkonzentriert, unmotiviert im Job. Viele Probleme, insbesondere in der Familie, ergeben sich daraus, dass Akari einfach nicht zu funktionieren scheint.

„Fan zu sein ist meine Überlebensstrategie.“

S. 108

Andauernder psychischer Ausnahmezustand

In Nebensätzen wird die Größe der Obsession mit ihrem „Idol“ deutlich. Etwa, wenn die Protagonistin wie nebenbei fallen lässt, wie viele Aktenordner mit Material sie zu ihrem Lieblingssänger angehäuft und akribisch sortiert hat. Dies erinnert an die Romane „Ich sehe alles“ von Katharina Bendixen und „Lasse“ von Verena Friederike Hasel, die beide eine psychische Entgleisung ihrer jeweiligen Protagonistin thematisieren. Zu einer Eskalation wie in den beiden genannten Romanen kommt es bei Rin Usami allerdings nicht.

„Ich habe keine Ahnung, wie ich nach dem Konzert, wenn mir nichts mehr bleibt, weiterleben soll.“

S. 112

Der Wattestäbchenwurf als Wutausbruch

Der große Gefühlsausbruch und Wendepunkt erschöpft sich darin, dass die Protagonistin eine Schachtel Wattestäbchen an die Wand wirft. Warum so zaghaft? Zuvor lässt die Autorin ihre Protagonistin auf Konzerten bis zur Erschöpfung tanzen, beschreibt die großen Gefühle, die sich hier einstellen. Beugt sich Usamis Protagonistin gesellschaftlichen Konventionen, die externalisierte Wut, zumal für jugendliche Mädchen, nicht zulassen? Der Wattestäbchenwurf als einzig möglicher Wutausbruch?

Andere sehen die Verstrickung in gesellschaftliche Konventionen an anderer Stelle. So folgert Lisette Gebhardt auf literaturkritik.de, dass die Kehrtwende und plötzliche Gesundung der Heldin mit der politisch angestrebten Volksgesundheit zusammenhänge. Die plötzliche Kehrtwende und Einsicht der Heldin kommen in der Tat plötzlich und sind nicht in allen Aspekten nachvollziehbar. Als zu tief verwurzelt und über Jahre gewachsen erscheinen dafür die psychischen und familiären Herausforderungen, vor die Rin Usami ihre Heldin stellt.

Fazit

Ein schmaler Roman, der die Sogwirkung des Fanseins im Social-Media-Zeitalter auf der Höhe der Zeit beleuchtet. Keine Pflichtlektüre und insbesondere wegen des jungen Alters der Autorin bemerkenswert.


Rin Usami, Idol in Flammen, OT: OSHI, MOYU (2020), aus dem Japanischen von Luise Steggewentz, Kiepenheuer & Witsch 2023.

Weitere Meinungen zu Idol in Flammen von Rin Usami

Literaturkritik.de

Buch Lady

Nicigirl

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