Eine unwahrscheinliche und doch wahre Geschichte über einen, der auszog, mitten im jemenitischen Bürgerkrieg Kaffee zu exportieren.
Inhalt
Mokhtar Alkhanshali wächst als Kind jemenitischer Einwanderer in Tenderloin, einem verarmten Stadtteil von San Francisco, auf. Durch seinen Intellekt und Pragmatismus ergattert er gut bezahlte Gelegenheitsjobs. Doch er will mehr. Was, ist ihm noch nicht ganz klar. Als er auf die Statue eines Jemeniten mit einer Kaffeetasse aufmerksam wird, kristallisiert sich sein Ziel heraus. Mokhtar, der keine Ahnung von Kaffee hat, wird dem jemenitischen Kaffee zu alter Größe zurückverhelfen und durch faire Produktionsbedingungen das Leben der Bauern verbessern. Schwierig nur, dass der Jemen geradewegs auf einen Krieg zusteuert.
Meinung
Wie Dave Eggers gleich im Vorwort klarstellt, handelt es sich bei „Der Mönch von Mokka“ „nicht um einen Roman, sondern um die Darstellung von Ereignissen, wie sie von Mokhtar Alkhanshali wahrgenommen und erlebt wurden“. Wir folgen einem verdichteten Tatsachenbericht, an dessen Ende der Autor selbst Teil der Handlung wird.
Ungewöhnlicher Genre-Mix
Dave Eggers‘ Geschichte macht den klassischen American Dream zum Thema, bleibt dabei aber auch Schelmenroman und Coming-of-Age-Story. Charmant macht die Geschichte ihre Unwahrscheinlichkeit. Ein orientierungsloser Mittzwanziger aus den USA setzt sich in den Kopf, die Kaffeekultur aus dem Herkunftsland seiner Familie wieder zu beleben. Obwohl er selbst bis dahin nicht einmal besonders gern Kaffee trinkt.
„Und dann, wenn alles andere so lief wie geplant – wenn er die Kirschen kaufen konnte, eine Aufbereitungsanlage mieten oder kaufen konnte, die Kirschen dorthin bringen konnte, um sie verarbeiten und sortieren zu lassen – dann musste er einen Weg finden, um achtzehn Tonnen Kaffee aus dem Jemen zu exportieren. Das alles während eines Bürgerkriegs und während die Huthi fast alle Häfen kontrollierten. Nicht besonders kompliziert.“
S. 223/224
Make Coffee, not War
Natürlich ist Dave Eggers Roman „Der Mönch von Mokka“ auch politisch. Wenn Mokhtar bei der Rückreise in die Vereinigten Staaten aufgrund seines Aussehens am Flughafen so lange gegängelt wird, bis er seinen Anschlussflug verpasst. Oder wenn Eggers detailliert beschreibt, inwieweit die Produktionskette des Kaffees eine der Ausbeutung ist. Durch wie viele Hände die Kaffeebohnen wandern, bis wir schließlich für eine Tasse Kaffee zwei oder drei Euro bezahlen. Wie teuer dann aber tatsächlich sog. Spezialitätenkaffee ist, wenn alle Kaffeebauern fair bezahlt werden und ein wenig Kaffee-Hype hinzukommt (16 US-Dollar pro Tasse!).
Die politischen Anklänge stehen bei „Der Mönch von Mokka“ aber nicht im Vordergrund; Sozialkritik fließt wie nebenbei ein. Die politische Situation im Jemen etwa, welcher Player dort welche Interessen verfolgt, kommen kaum zur Sprache – was auch daran liegt, dass der Protagonist den Jemen gerade zu Beginn des Bürgerkriegs und dem ersten Eingreifen Saudi-Arabiens bereist.
Soziales Chamäleon
Mokhtar Alkhanshali ist ein soziales Chamäleon. Was Dave Eggers als sein „Tenderloin-Hirn“ (nach dem verarmten Viertel von San Francisco in dem Mokhtar aufwächst) bezeichnet, meint den Umstand, dass der Protagonist gelernt hat, eine Situation und sein Gegenüber blitzschnell zu lesen und sich anzupassen. Sei es als Verkäufer in einem edlen Damenschuhgeschäft in San Francisco oder als Gefangener in einer Zelle der Huthi-Miliz.
„Wenn er montags hörte, wie eine Kundin einer Freundin erzählte, dass ihr Sohn auf die University of Southern California gehen wollte, weil die ein hervorragendes Filminstitut hatte, und er dienstags eine andere Mutter über ihren künstlerisch kreativen Sohn reden hörte, ließ er sich im Brustton der Überzeugung darüber aus, wie gut und anspruchsvoll das Filminstitut an der USC war.“
S. 51
Etwas lang geraten die Abhandlungen über Kaffee, Sensorik-Schulungen und den US-amerikanischen Kaffeemarkt. Schwer zu schlucken sind dagegen die Schilderungen der verheerenden Folgen von Bombenangriffen für die jemenitische Zivilbevölkerung. Glücklicherweise gelingt es Eggers, den Witz und Charme seines Protagonisten auch in den unmöglichsten Situationen aufblitzen zu lassen. So geraten die einzelnen Begebenheiten trotz ihrer thematischen Schwere nie langweilig oder völlig hoffnungslos.
„Als Mokhtar nach oben blickte, sah er die Mündungen von AKs über die Häuserdächer auf beiden Seiten der Straße ragen.
‚Zurück, zurück!‘, schrie Mokhtar.
‚Ich hab keinen Rückwärtsgang!‘, schrie der Fahrer. ‚Ihr müsst schieben!‘“
S. 209
Der Mönch von Mokka bleibt unnahbar
Ein wenig unnahbar blieb der Protagonist für mich bis zum Ende schon. Gern hätte ich erfahren, wie er darüber denkt, eine mutmaßlich für ihn vorgesehene arrangierte Ehe einzugehen, statt seine Freundin heiraten zu können. Oder wie sein Verhältnis zu seinen Geschwistern, mit denen er sich lange Zeit ein kleines Zimmer teilt, aussieht. Ob er die Anforderungen, die das Aufwachsen in verschiedenen Kulturen an ihn stellt, als Bereicherung oder als Last empfindet.
Das alles kommt nicht zur Sprache. Was auch daran liegen mag, dass es sich bei Mokhtar Alkhanshali eben nicht um eine Romanfigur, sondern um einen real existierenden Geschäftsmann handelt. Ebenso wie der Autor Dave Eggers hat er mit seinem Vermögen eine gemeinnützige Organisation gegründet und engagiert sich gesellschaftlich. Unter diesem Gesichtspunkt ist nachvollziehbar, warum der Leser nicht allzu viel aus dem Privatleben und der Gefühlswelt des Protagonisten erfährt.
Wenig Selbstzweifel und überragende interkulturelle Kompetenz
Was ich mir beim Lesen der oft brenzligen Situationen dann doch gewünscht hätte, wäre eine Schilderung von Selbstzweifeln gewesen. An zwei, drei Stellen gesteht Eggers seinem Protagonisten zu, kurz daran zu zweifeln, ob er mitten im Krieg den Kaffeeexport zum Laufen bringen kann. Doch was ist mit den mehrmaligen Gefangennahmen, das Zittern an den völlig willkürlich agierenden Checkpoints auf dem Weg zur Kaffeeplantage? Der Zweifel daran, ob ein Ausländer in den jemenitischen Bergen genügend Gehör findet, um die Arbeit dort nach seinen Vorstellungen zu gestalten?
„Das Problem war, bis zur nächsten Ernte am Leben zu bleiben.“
S. 198
Neben den wenigen Momenten der Schwäche fand ich schade, dass die unglaubliche kommunikative Leistung, die Mokhtar Alkhanshali erbringt, nicht ausführlicher zur Sprache kam. Zwar lernt er als Zwölfjähriger ein Jahr lang die kulturellen Gepflogenheiten in einer jemenitischen Stadt kennen. Das dürfte jedoch kaum gereicht haben, um mit eingeschworenen Dorfgemeinschaften in entlegenen Bergdörfern zu verhandeln und erfolgreich – und unversehrt – wieder in die Stadt zurückzukehren. Das Führen von Verhandlungen mit den Dorfältesten, die Kommunikation mit seinen vollverschleierten weiblichen Angestellten – all das dürfte Mokhtar vor Probleme gestellt haben, deren Lösung ein enormes Maß an kulturellem Fingerspitzengefühl verlangt haben muss. Das all dies nicht zur Sprache kommt, wirkte leider im schlechtesten Sinne klischeehaft ignorant und der Gradlinigkeit der ökonomischen Erfolgsgeschichte geopfert.
Fazit
„Der Mönch von Mokka“ von Dave Eggers ist eine spannende, weil wahre Geschichte, die durch ihren Aberwitz gut unterhält. Leider finden kulturelle Feinheiten und das Innenleben des Protagonisten nur wenig Beachtung.
Dave Eggers, Der Mönch von Mokka, OT: The Monk of Mokha, aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, KiWi 2018, 379 S.
Wissenstipp!: Kaffee, Kaffeeproduktion, Jemen
Andere Meinungen zu Der Mönch von Mokka
Felix Haas auf literaturkritik.de
Pink Jinn (englisch)
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Eine Auswahl aktueller Literatur aus Afrika, im zweiten Teil des Beitrages insbesondere aus Somalia: