Hillary Jordan: Mudbound – Die Tränen von Mississippi (2008/2017)

Schlamm. Überall Schlamm. Der Kampf gegen den Schlamm bestimmt das Leben der Städterin Laura McAllan, die ihrem Mann Henry 1946 widerwillig auf eine Farm ins Mississippi-Delta gefolgt ist. Kein Wasser, kein Strom – die Rolle als liebende Ehefrau auszufüllen, fällt da schwer. Ein Lichtblick ist die Heimkehr ihres Schwagers Jamie. Doch der wird von den furchtbaren Kriegserlebnissen verfolgt und ertränkt sein Trauma im Alkohol. Ebenso wie Ronsel, der Sohn der schwarzen Pächterfamilie, der an vorderster Front in einem Panzerbataillon kämpfte und lieber im Nachkriegsdeutschland geblieben wäre. Stattdessen kehrt er in seine vom Rassismus durchdrungene Heimat zurück. Zu allem Überfluss ist da noch der unausstehliche Vater von Henry und Jamie, der allen Bewohnern der Farm das Leben zur Hölle macht – und nicht nur denen.

Hillary Jordan Mudbound

Was sich zunächst nach einer Vielzahl von Personen anhört, klärt sich beim Lesen schnell. Obwohl jedes Kapitel aus Sicht einer anderen Figur erzählt, fügt sich die Geschichte verständlich und nahtlos zusammen. Ich habe das Buch förmlich verschlungen; die bedrückende Atmosphäre des Deltas ließ mich nicht los. Der Dauerregen und die Überschwemmungen haben zusammen mit den Schilderungen des entbehrungsreichen Farmlebens schnell dafür gesorgt, dass ich das idyllische Huckleberry-Finn-Panorama aus meinem Kopf verbannte und voll dankbarer Liebe auf die eigene Dusche mit Wasseranschluss schaute. Der Schreibstil aus Sicht aller Figuren ähnelt sich sehr; lediglich bei dem schwarzen Pächterpaar, den Eltern des Soldaten Ronsel, webt die Autorin hier und da eine einfachere, klare Sprache ein. Mich persönlich hat das ein klein wenig gestört, aber das ist ein grundsätzliches Problem der in meinen Augen immer gewollt wirkenden Übersetzung eines Ex-Sklaven-Slangs aus dem amerikanischen Englisch.

Eine Wolke der Hoffnungslosigkeit

Die Autorin schneidet in ihrem Roman viele schwierige Themen an, die sich zu einer Wolke der Hoffnungslosigkeit verdichten. Hauptthema von Hillary Jordans Mudbound ist der Rassismus Ende der 40er Jahre in den US-Südstaaten. Eine schier ausweglose Situation, der der Protagonist Ronsel nur durch die Flucht in den Krieg entkommen kann. Sein Ausspruch kurz nach der Heimkehr bringt seine Pein auf den Punkt:

„Wieder zu Hause, welch ein Jubel! Affe, Schwarzgesicht, Nigger. Ich hatte für mein Land gekämpft und bei meiner Rückkehr festgestellt, dass es sich kein bisschen verändert hat. […] Völlig egal, ob wir ihrem Aufruf gefolgt waren und uns in ihrem Krieg geopfert hatten. Für sie waren wir weiterhin nur Nigger. Und die schwarzen Soldaten, die gefallen waren, waren eben tote Nigger.“ S. 169

Neben Rassismus beschäftigt sich der geneigte Leser außerdem mit: Armut, Entbehrung, Patriarchat, strikten religiösen Vorstellungen, Existenzangst, Ausbeutung, Kriegstraumata, Ehebruch, Kindesmissbrauch, dem Holocaust und Gewalt. Da kommt ganz schön was zusammen. Hat die Autorin ihre Geschichte überfrachtet? – Ein klares Nein. Hier wirken die Probleme nicht künstlich aufgebauscht, vielmehr fügen sie sich harmonisch in die Handlung ein. Wie es im echten Leben auch der Fall wäre.

Die Geschichte ist grandios; bislang habe ich noch nichts aus der Sicht eines schwarzen Kriegsheimkehrers Ende der 40er Jahre gelesen. Wenn auch Fiktion, so hat Mudbound meinen Horizont erweitert und mir die Umstände im Mississippi-Delta dieser Zeit klarer vor Augen geführt.

Der Netflix-Film zu Hillary Jordans Mudbound

Die beim Streaming-Anbieter Netflix vorhandene Filmversion des Romans ist auch grandios. Die tiefe Stimme von Rob Morgan als Hap sorgt für Gänsehaut und das Farmhaus der McAllans ist noch armseliger als man es sich beim Lesen vorstellt. Was für ein Leben. So groß die Vielzahl hassenswerter Figuren in Buch und Film auch ist – am meisten hat mich der Farmer Henry McAllan aufgeregt, wie er gottesgleich als Herr seiner Schlammplantagen herumstolziert und dabei kein Auge für das Unglück um ihn herum hat.

Fazit

Lest Hillary Jordans Mudbound, schaut den Netflix-Film – beides lohnt sich und lässt trotz des blumigen Titels keinen Platz für romantisierende Huckleberry-Finn-Vorstellungen.

 

Hillary Jordan, Mudbound. Die Tränen von Mississippi (OT: Mudbound. Aus dem Amerikanischen von Karin Dufner), Pendo 2017, 384 S.


Weitere Meinungen zum Buch:

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9 Gedanken zu „Hillary Jordan: Mudbound – Die Tränen von Mississippi (2008/2017)

  1. Vielen Dank für die Vorstellung – das hört sich wirklich lesenswert an. Eine Vielzahl von Themen und auch ich habe noch nichts von einem schwarzen Kriegsheimkehrer gelesen.
    Grüße,
    Daniela
    #litnetzwerk

    1. Hallo Daniela,
      das Buch hat mich wirklich überrascht, denn ich hatte mit deutlich mehr Kitsch gerechnet. Aber naja Buch und nach Umschlag beurteilen und so. Stimmt wohl meist, aber nicht immer. Vielleicht sagt dir die Geschichte ja auch zu!
      Viele Grüße
      Jana

  2. Hallo Jana,

    wow, das hört sich sehr interessant an. Bisher habe ich noch nie etwas von diesem Buch gehört, aber ich denke, es könnte mir gefallen. Vor allem, dass jedes Kapitel aus der Sicht einer anderen Person geschrieben ist, finde ich sehr toll. Da es Dich so begeistert hat, werde ich das Buch mal im Auge behalten.

    Lieber Gruß,
    Marion
    #litnetzwerk

    1. Hallo Marion,
      Mudbound hat mich auch überrascht; ich bin auch durch einen anderen Blog erst darauf aufmerksam geworden. Ich mag häufige Perspektivwechsel grundsätzlich nicht, aber hier fügen sie sich wirklich nahtlos aneinander.
      Viele Grüße
      Jana

  3. Beim Lesen des Artikels brannte mir die ganze Zeit die Frage unter den Nägeln, ob du den Film gesehen hast, aber das hat sich ja dann erübrigt 😉 Dass er auf einem Buch basiert, wusste ich anfangs leider noch nicht und habe so eben zuerst den Film geschaut. Der hat mich aber auch sehr mitgenommen. Im Grunde könnte man das Gefühl bekommen, dass es eine Geschichte ist, die schon zig mal erzählt wurde, aber sie war sehr mitreißend und wirkte sehr authentisch. Ohne Schmalz und Massen an Pathos …

    1. Die Verfilmung fand ich noch gelungener als das Buch, was so gut wie nie vorkommt. Mir schien die Protagonistin greifbarer und die Männerfreundschaft noch besser ausgearbeitet. Außerdem hat es mir ungemein geholfen, die Farm tatsächlich zu sehen, denn so schlimm hatte ich mir die Umstände dort beim Lesen nicht vorgestellt. Ich empfand es schon fast als beißenden Humor, wie die wunderschöne Altbauwohnung im zerbombten Nachkriegsdeutschland der runtergekommenen Farm gegenübergestellt wurde.
      Du hast Recht, an Pathos war da nichts, eher Verlierer und Verlorene auf allen Seiten. Das richtige Buch für dunkle Wintermonate.

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