Die Vorbereitung aufs Staatsexamen hat mein Lesen verändert. Ein Jahr lang habe ich fast jeden Tag mit der Suche nach dem Schlüsselwort, nach der relevanten Information verbracht. Romane habe ich in den letzten Monaten gar nicht mehr zur Hand genommen; Sachbücher waren mir am Ende des Lerntages oft zu anstrengend. Unterhaltungen mit Mitstudenten über Gelesenes? Fehlanzeige. Allen anderen schien es ähnlich zu gehen, die Leselust war ihnen – zumindest fürs Erste – abhanden gekommen. Übrigens auch was komplexe Serien angeht: Das Gesamtkunstwerk „The Wire“ verbleibt bislang ab der Hälfte ungesehen.
Das soll sich jetzt wieder ändern. Die ehrgeizige #18für2018-Klassikerliste steht mir dabei im Weg. Die nächsten Bücher sollen ein reines Vergnügen sein, ohne selbstgemachten Druck, einfach um des Lesens willen. Gelesen wird dabei, was mich aus dem Bücherregal heraus anlacht. Wenn eines der Bücher dabei zufällig auf meiner Klassikerliste steht – gut. Aber erst einmal muss die Lust am Lesen zurück kommen.
Dabei liebäugle ich mit diesen Büchern. Vielleicht könnt ihr ja eine Empfehlung für eines abgegeben?
Der Lärm der Zeit! Manche bemängeln Julian Barnes behutsame Sprache, ich fand das, auch als Künstlerportrait und als Beschreibung eines Lebens in einer Diktatur herausragend.
Ich habe gestern begonnen und kann nicht aufhören. Barnes behutsame, oft auch reduzierte Sprache ist jetzt genau das richtige für mich. Kurze, bedeutungsschwere Sätze – fast wie Gesetze lesen. 😉
Nur halt sprachlich schöner wie Gesetze 🙂 Falls du sonst noch nichts von ihm kennst, empfehle ich dir ein Frühwerk von ihm, eines meiner Lieblingsbücher: https://saetzeundschaetze.com/2015/06/14/julian-barnes-eine-geschichte-der-welt/
Da stimme ich aus ganzem Herzen zu. 😉 Ich bin absoluter Barnes-Neuling (und nach dem ,,Lärm der Zeit“ wohl auch Neu-Fan) und für Tipps ganz aufgeschlossen. ,,Eine Geschichte der Welt“ wird notiert.
Hallo, „ Der Lärm der Zeit“ ist ein ganz großartiges Buch. Er schafft es, auf wenigen Seiten , die Situation in der Sowjetunion und die Lage Schostakowitschs dem Leser nahezubringen. Richard Flanagan hat mir auch gut gefallen, wobei es nicht an seinen Roman „Der schmale Pfad durchs Hinterland“ herankommt. Von „Bleib bei mir“ hört man nur Gutes. Du hast also die Auswahl zwischen mehreren lesenswerten Büchern. Bin gespannt, womit Du anfängst und wie Dir das Lesen nach der Zwangspause wieder gefällt.
Liebe Grüße
Ruth
Hallo Ruth,
jetzt bin ich umso gespannter auf jedes der drei Bücher! Ich habe mit „ Der Lärm der Zeit“ angefangen und finde es sehr gelungen, wie Barnes Schostakowitschs Charakter und die Zeit unter Stalin einfängt. Auf jeden Fall eine gute Empfehlung, um das Lesen wieder aufzunehmen!
Viele Grüße
Jana
Ja, schließe mich den Barnes Befürwortern an. Bei Interesse:
https://bingereader.org/2016/03/24/the-noise-of-time-julian-barnes/
Hast Du Dein Staatsexamen jetzt bestanden? Falls ja, herzlichen Glückwunsch 🙂
Alles klar, Barnes hat eindeutig gewonnen. 😉 Du hast absolut Recht, wenn du über die dichte Atmosphäre im Roman schreibst. Als das fehlende Stalinporträt im Arbeitszimmer moniert wurde, habe ich mich selbst schlucken hören. Interessant finde ich, dass Barnes Schostakowitsch in den Mund legt, seine psychische Verfassung habe sich unter Chruschtschow nicht wesentlich verbessert. Den letzten Teil deines Artikels habe ich noch nicht gelesen; ich bin mit dem Buch nicht ganz durch.
Eine Rückmeldung übers Bestehen kommt erst in den nächsten Monaten und dann habe ich noch eine mündliche Prüfung vor mir. Aber ich dachte mir, bevor ich jetzt die ganze Zeit über nervös bin, fange ich einfach wieder an zu lesen. 😉
Ich kann mich nur anschließen: Unbedingt „Der Lärm der Zeit“. Aber durchaus auch „Focus“. Viel Lesefreude!
Ich habe gerade nachgelesen, worum es in „Focus“ geht und habe die Ahnung, dass dieses Buch gerade nach Pittsburgh nichts an Aktualität eingebüßt hat. Nehme ich auf jeden Fall ganz bald in Angriff. Der Barnes war ein sehr guter Tipp!
Du hattest quasi instinktiv schon die guten Bücher vorliegen. „Focus“ ist zudem ja noch toll illustriert.
Stay With Me ist toll. Der Barnes ist auch sehr gut.
Oh, du bist die erste, die „Stay With Me“ lobt. Ich fand die Geschichte beim Stöbern auch spannend, habe aber auch schon enttäuschte Stimmen gehört. Ich habe noch nie was aus der Region gelesen und bin gespannt.
Ich hab das Buch 2016 im Original gehört (inklusive nigerianischem Akzent) und hatte ursprünglich vier Sterne gegeben, das aber später auf 5 erhöht, weil ich so oft an das Buch denken musste. Habe aber auch den Eindruck, dass das Buch in Deutschland nicht so einschlägt, im englischsprachigen Raum wurde es hochgelobt, ich habe glaube ich keinen einzigen Booktuber eine negative Meinung äußern gehört, alle waren begeistert. Vielleicht funktioniert es in der Übersetzung nicht so.
Ich habe auch den Eindruck, dass generell einige hochgelobte und ausgezeichnete englischsprachige Bücher in der deutschsprachigen Bloggerszene nicht dieselbe Beachtung erfahren. ,,Stay with me“ habe ich auch im englischsprachigen Netz gefunden und im Original bestellt, schon allein, um vielleicht den einen oder anderen spezifisch nigerianischen Ausdruck aufzufassen. Ich bin gespannt und kann bzgl. afrikanischer Literatur den Blog https://emeraldnotes.de/ sehr empfehlen. Hier finden sich oft ausgezeichnete Tipps, gerade zu Büchern, die gar nicht auf Deutsch erscheinen.
Ach, Emeraldnotes kenne ich von Instagram, danke für den Tipp, den Blog werde ich mir mal anschauen. Bin selbst viel bei englischsprachigen Booktubern unterwegs und kenne den englischsprachigen Markt daher auch ganz gut 🙂
Leider kenne ich keins von den Büchern, die du im Auge hast. Zumindest habe ich sie nicht gelesen und kann daher nicht wirklich eine Aussage geben. Aber ich kenne das Gefühl vom Studium/Beruf/Herausforderungen des Lebens so in Beschlag genommen zu werden, dass nichts mehr in den Kopf geht, was auf s/w gedruckt ist. Als ich studiert habe, habe ich beunruhigend wenig gelesen, weil mir (trotz eines Informatikstudiums!) das Lesen zu den Ohren rauskam. Aber leichte Lektüre, einige Manga und in den Semesterferien wieder anspruchsvollere Bücher, haben es gekittet. Mein Retter war übrigens Gabriel Garcia Marquez „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“. Da platzte irgendwie der Knoten und ich konnte wieder nebenbei lesen.
Ich habe mittlerweile alle durch (toll, einfach wieder zum Spaß zu lesen!) und kann vorab ,,Fokus“ von Arthur Miller sehr empfehlen – so ein großartiges Buch!
García Márquez möchte ich auch demnächst lesen; erst gestern hatte ich ,,Hundert Jahre Einsamkeit“ in der Hand, damit wollte ich anfangen, denn ich habe bisher noch gar nichts von ihm gelesen. Aber ,,Liebe in Zeiten der Cholera“ ist ja auch richtig bekannt. Wenn es dir so gut gefallen hat, dann halte ich auch mal danach Ausschau.
Ich habe mir an diesem Wochenende übrings ein Buch besorgt, um mich ein wenig in Bloghosting und WordPress-Erweiterungen einzulesen und musste sofort an deinen Blog denken. Ich überlege noch, ob sich ein Umzug und die zusätzliche Arbeit lohnen.